Startseite » Infos » Das „Golden Deutsch Trio“ » Alexander Dittrich: Gitarre, Synthesizer

Der Klang ist das Bewusstsein

Tja, was soll man sagen … ich mache seit gut 40 Jahren mit Gerhard Streit zusammen Musik – wir haben damals unsere erste Band „HNO-Band“ gegründet. Deutscher Proto-Punk, sozusagen, lange vor der „Neuen Deutschen Welle“.

Aber eigentlich kam ich ja woanders her: mich haben schon immer die sphärischen, abgedrehten Klänge von Klaus Schulze, Tangerine Dream, Kraftwerk et. al. fasziniert. Nur: damals, vor 40 Jahren, war das dazu nötige Equipment weit außerhalb der finanziellen Reichweite.

(Kleiner Exkurs: Meine erste Begegnung mit „Elektronischer Musik“ war im gymnasialen Musikunterricht, da ist – wahrscheinlich auch heute noch – Karl-Heinz Stockhausens „Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ das Standardbeispiel, präsentiert von einem „Musiklehrer“ der davon nicht die geringste Ahnung hatte … entsprechend war dann auch die Reaktion der Schüler.  Eine Schande! Meine zweite schicksalhafte Begegnung mit Elektronischer Musik war bei einem Teeabend bei Ella Schroll, die mir damals u.a. „Origin Of Supernatural Probabilities“ von Tangerine Dreams Album „Zeit“  vorgespielt hat – ab da war ich rettungslos verloren. Danke, Ella!)

Zurück zum Thema: Man hat halt gearbeitet mit dem was da war. Auf die sound-technisch eher unbedarfte HNO-Band folgte „Marinetti“ – eine Art „schräge Euro-Pop-Formation“. Wir hatten als eine der ersten (Amateur-)Bands der Region ein elektronisches Schlagzeug, die Sounds wurden ausgefeilter. Nicht zuletzt dank unseres italienischen Saxofonisten Luca Vianello.

Zwischendrin: Abstecher in andere Bands, und vor allem: Musikunterricht bei Harald Trepte, einem begnadeten Nürnberger Bassisten. Ich bin wahrscheinlich der einzige Gitarrist der bei einem Bassisten gelernt hat …

Dann kam – für uns – der Big Bang: Die Bands „Art Concept“ und „Marinetti“ verschmolzen zu „tERROR FUNk mISsion“: salopp gesagt, die „Pink Floyd von Forchheim“. Es war auch der Beginn unserer Freundschaft – „Mäzen“ wäre wohl ein angebrachterer Ausdruck – mit Martin Wohlleib, dem Inhaber von „Starlight Design„. Unsere erste Kooperation: Das Konzert „Schwäne und Glühbirnen“ im Forchheimer Saltor-Turm. Martin kam grad zurück von einer Europa-Tournee mit Al Bano und Romina Power und hatte deren gesamtes Licht-Equipment in seinen Trucks. O Wunder: es passte zentimetergenau in den Saltorturm. Als Stromversorgung benötigten wir allerdings das 50KVA Aggregat des THW

Ab da spielten wir nur noch einmal im Jahr, mehr konnten wir uns nicht leisten. Aber dieses eine Mal … da ließen wir es krachen. Für jedes Konzert mussten wir Baustrom hinlegen lassen, da es keinen Saal gab der über genügend „Saft“ verfügte. Einmal hat Martin sogar in der Restaurant-Küche einen der Herde abgeklemmt um zusätzlich Strom für die Elektromotoren zu bekommen. Und für „Schluss! des Guten!“ haben wir EINE GANZE WOCHE lang nur Licht aufgebaut. Mann, das waren Zeiten … und mein letztes Konzert mit TFM:

http://www.stadtohnemitleid.de/FOlive/Schluss__Des_Guten/schluss__des_guten.html

Fast forward:

Mein "Arbeitsplatz": Korg RADIAS, BOSS GT10, AKAI MPX8
Mein „Arbeitsplatz“: Korg RADIAS, BOSS GT10, AKAI MPX8

Bei einem Auftritt mit „Ringelnatz Text+Töne“ (einem Ableger von TFM) im Museum in Wurzen wurden mir meine Instrumente geklaut (unliebe Diebe: der Blitz soll euch beim Scheißen treffen!) und ich musste FÜNF JAHRE gegen die Stadt Wurzen prozessieren (Schande über Euch!!) bis ich endlich Schadensersatz bekam. Davon – plus ein paar gesparten Teuronen – konnte ich mir endlich (kaum sind 30 Jahre vorbei …) meinen ersten Synthesizer (einen KORG Radias) kaufen – und eigentlich hatte ich gar nicht vor weiter E-Gitarre zu spielen. Naja, meistens läuft es anders 🙂

Jedenfalls folgte ein kurzer, aber heftiger Abschnitt mit dem Elektronik-Duo „NEOKLAST“, welches sich aber leider kurz vor einem sich anbahnenden Erfolg auflöste …

Und nu?

Ich bin wieder bei meinen alten Freunden aus TFM-Zeiten gelandet: Gerhard Streit und Jott Gutschmann. Mittlerweile ist der Schlagzeuger neu: Bernhard Wilhelm, ein semi-Profi, eigentlich fast schon zu gut für uns 😉 Wir haben uns jedenfalls sehr gefreut dass er nach dem Weggang unseres langjährigen Schlagzeugers Jürgen Zöbelein bei uns eingestiegen ist, und er hat uns wirklich auf ein anderes Level gebracht.

Was mach ich so?

Ähemm. „Gitarre und Synthesizer“ …

„Gitarrist“ ist eigentlich der falsche Audruck. Nur manchmal hört sich das was aus den Boxen rauskommt wie eine Gitarre an. Ich sehe und nutze eine Gitarre als „Controller“, um damit ganz andersartige Geräte anzusteuern und damit Klänge zu erzeugen. Mein „Arbeitspferd“ ist das legendäre Multi-Effekt-Gerät BOSS GT10 – in einzigartiges Gerät mit technischen Möglichkeiten die sich in dieser Art in keinem anderen Gitarren-Effektgerät finden (ich sach blos „Modulations-Matrix“ …) – man kann das Teil spielen wie einen Synthesizer!

„Normale Gitarre“ kann ich nicht, wer von mir am Lagerfeuer ein Ständchen erwartet liegt falsch. Singen kann ich übrigens auch nicht … daher mein Hang zu Vocodern 😉

„Keyboarder“ ist ebenfalls völlig falsch. Ich kanns halt nicht, da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich werde nie ein Virtuose am Keyboard werden. Ich hab das nie gelernt. Was ich kann: Ich kann Synthese … in Sachen „Subtraktiver Synthese“ macht mir kaum jemand was vor. Im Prinzip also dasselbe wie oben: Ich erzeuge Klänge.

Letztlich geht es mir um eines: Ich liebe es „Atmosphären“ zu erzeugen, „akustische Landschaften“, die das jeweilige Thema unterstützen. Weniger naturalistisch wie in einem Hörspiel, eher expressionistisch. In Gerhard Streit habe ich einen musikalischen Partner gefunden, der mich in dieser Hinsicht kongenial unterstützt. Und seit kurzem: Bernhard Wilhelm a.k.a. „Frau Bartl“ … ein genialer Schlagwerker, der auch auf die abgefahrendsten Ideen noch eins draufsetzen kann, mit oft unglaublicher Präzision (ein Roboter?) …

Noch ein paar Worte zur „Hauptperson“, unserem Frontmann Jürgen „Jott“ Gutschmann: Da er eher vom Theater her kommt (er ist sehr engagiert im Jungen Theater Forchheim) sieht er die jeweilige Performance mit anderen Augen als wir Musiker und trägt auf seine Weise zur Erweiterung des Spektrums bei. Da gesprochene Gedichte sich nur manchmal mit repetitiven musikalischen Strukturen in Einklang bringen lassen müssen wir oft mitten im Takt wechseln – in ein anderes Thema, einen anderen Sound, beides zugleich, oder sonstwas … es wird jedenfalls nie langweilig, und die Proben sind anstrengend wie Sau …

Was bleibt?

Warum das alles? Warum „opfern“ wir unsere Freizeit für ein obskures Musik/Literatur-Projekt? Warum hören wir uns geduldig doofe Fragen an wie „Und DAMIT wollt ihr Geld verdienen“?

Ich kann nur für mich sprechen: Mir geht die allermeiste Musik voll auf den Senkel. Wer jemals Frank Zappa live erlebt hat, der weiß wovon ich rede (Watermelon in Easter Hay z.b. ist ein Instrumental von geradezu überirdischer Schönheit).

Und wenn wir schon dabei sind – wer „The Beauty in the Beast“ von Wendy Carlos noch nicht gehört hat, der hat noch nichts gehört. Mikrotonale Musik in Perfektion. Der Hammer! (Für die ganz Harten: The broken Scales of Wendy Carlos – REAL Hard Stuff!!!) Hahaaa!! Hat grad jemand Conlon Nancarrow gesagt? Nicht? Na gut …

Kurzer Rede langer Sinn: Mir – und ich nehme mal schwer an auch meinen Mitmusikern – macht es tierischen Spaß gegen den musikalischen Mainstream zu schwimmen. Ich zitiere mal Luigi Russolo:

Fort! Gehen wir hinaus, denn wir können unser Begehren nicht länger bremsen, endlich eine neue musikalische Wirklichkeit zu schaffen, großzügig klangliche Ohrfeigen auzuteilen, indem wir über die Geigen, Klaviere, Kontrabässe und wimmernden Orgeln mit einem Satz hinwegspringen. Gehen wir hinaus!

Da draußen wartet eine andere musikalische Welt, die es zu erforschen und vor allem zu erleben gilt.

Forward in all Directions!